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13.12.2023–13.1.2024

Tex Rubinowitz
Stickstoff 2
 

–Please scroll down for German version–

"At some point, my friend Daniel Spoerri had finished his series " Fadenscheinige Orakel ", and left me his perforated, gutted wall protectors with the words: "Nothing is waste, make something out of it, build something around the holes, Dräcksbüebli." That was at the time when I was suffering from a writer's block, no text would succeed, I was as empty and full of holes as this huge textile waste pile, which I picked up and which should not be garbage. That was around 2019.

The only thing I could still write, which I have been doing for years, are so-called "Tarnsätze" (camouflage sentences), pseudo wisdoms that sound as if they could be true, meaningful and helpful. I got that in turn from the author Wolfgang Herrndorf, who for a time collected the " Wisdom of the Fulbe" and placed them as mottos in front of the chapters of his adventure novel "Sand", invented sayings of a shepherd people in West African Nigeria.

 

There are only a handful of these sentences by Herrndorf, thousands by me; every day I have to write a few to reassure myself of my existence, and that began pretty much simultaneously with the exhaustion of my writing energy. These sentences come out of my subconscious like metaphysical ants, it isn't me who seeks them, they find me, the diary of a sub-ego to which I have handed over control from the beginning.

I used the sewing machine to sew together Spoerri's scraps and stitched on them a few of my "Tarnstätze" (camouflage sentences), the sewing machine became my typewriter. And here too, just as with the sentences, I gave up control by leaving the guide foot up on the machine, that the machine often stitched the letters, words and sentences perplexed and disoriented, I only watched as the needle sometimes broke off and desperation knots formed. And how the subconscious, from which my sentences had previously trickled and been absorbed by me, combined with the helplessness of the sewing machine, I played there only the third role of the collector, the distanced watcher and suspicious observer." (Tex Rubinowitz)

- German Version -

 

 „Irgendwann hatte mein Freund Daniel Spoerri seine Serie „Fadenscheinige Orakel“ abgeschlossen, und überließ mir seine löchrigen, ausgeweideten Wandschoner mit den Worten: „Nichts ist Abfall, mach was draus, bau etwas um die Löcher herum, Dräcksbüebli“. Das war zu der Zeit, als ich gerade unter einer Schreibblockade litt, kein Text wollte mir gelingen, ich war so leer und löchrig wie dieser riesige Textilabfallhaufen, den ich abholte und der kein Abfall sein sollte. Das war so um 2019.

 

Das einzige, was ich noch schreiben konnte, was ich schon jahrelang mache, sind sogenannte Tarnsätze, Pseudoweisheiten, die so klingen, als könnten sie wahr sein, sinnvoll und hilfreich. Das wiederum hab ich von dem Autoren Wolfgang Herrndorf, der eine Zeitlang die „Weisheiten der Fulbe“ sammelte, und sie als Motti den Kapiteln seines Abenteuerromans „Sand“ voranstellte, erfundene Redensarten eines Hirtenvolks im westafrikanischen Nigeria.

Von Herrndorf gibt es nur eine Handvoll dieser Sätze, von mir tausende, jeden Tag muss ich ein paar schreiben, um mich meiner Existenz zu versichern, und das begann ziemlich zeitgleich mit dem Veröden meiner Schreibenergie. Diese Sätze kommen aus meinem Unterbewusstsein wie metaphysische Ameisen, nicht ich suche sie, sie finden mich, das Tagebuch eines Unter-Ichs, dem ich von Anfang an die Kontrolle übergeben habe.

 

Ich nähte mit der Nähmaschine die Abfälle Spoerris zusammen und stickte auf sie ein paar meiner Tarnsätze, die Nähmaschine wurde meine Schreibmaschine. Und auch hier, wie bei den Sätzen, gab ich die Kontrolle ab, indem ich bei der Maschine das Führungsfüßchen oben ließ, dass die Maschine oft ratlos und orientierungslos die Buchstaben, Worte und Sätze stickte, ich sah nur zu, wie die Nadel mitunter abbrach und sich Verzweiflungsknoten bildeten. Und wie sich das Unterbewusstsein, aus dem meine Sätze zuvor geronnen waren und von mir aufgefangen wurden, mit den Hilflosigkeiten der Nähmaschine verbanden, ich spielte da nur die dritte Rolle des Sammlers, des distanzierten Aufpassers und misstrauischen Beobachters.“ (Tex Rubinowitz)

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